Das Haus Zamis 014 - Ich, Michael Zamis by Uwe Voehl & Peter Morlar

Das Haus Zamis 014 - Ich, Michael Zamis by Uwe Voehl & Peter Morlar

Autor:Uwe Voehl & Peter Morlar [Voehl, Uwe & Morlar, Peter]
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: Horror, Mystery, Dorian Hunter, Dämonenkiller, Coco Zamis
Herausgeber: Zaubermond
veröffentlicht: 2012-08-02T00:00:00+00:00


6. Kapitel

Aus der Dämonenvita des Michael Zamis

24. Dezember 1908

Seit mehr als einem halben Jahr sitze ich jetzt in einer Zelle, die diese Bezeichnung beim besten Willen nicht verdient. Vielmehr handelt es sich um ein drei auf vier Meter durchmessendes Loch mit einer unbequemen Holzpritsche an einer feuchten, von Schimmel überzogenen Mauer, einem wackeligen Schemel, einem schiefen Tisch, einem Bottich mit brackigem Wasser und einer von Urinstein und Kot verkrusteten Keramikschüssel. Toilettenpapier ist Luxus, und den können sich hier die Wenigsten leisten.

Um mir die Füße zu vertreten, darf ich meine Zelle nur für eine halbe Stunde am Tag verlassen, und während dieser Hofgänge bleibe ich keine Sekunde unbeobachtet. Bewaffnete Aufseher folgen mir auf Schritt und Tritt.

Rasputin hat ganze Arbeit geleistet. Es sieht tatsächlich so aus, als müsse ich den Rest meines Lebens in diesem Loch verbringen.

Von Agnessa habe ich seit der Gerichtsverhandlung nichts mehr gehört. Kein Besuch, kein Brief, nicht einmal ein letzter Gruß. Dafür hasse ich sie – obgleich ich mir sicher bin, dass Rasputin dahintersteckt. Wahrscheinlich hat er sie unter seinen Willen gezwungen. Trotzdem, das entschuldigt gar nichts.

Dabei hätte ich es eigentlich wissen müssen. Ist mir die Geschichte damals mit Marya nicht Lehre genug gewesen? Muss ich immer an die falschen Frauen geraten, an hinterhältige Schlangen in der Gestalt von Unschuldsengeln, die mich lieb anlächeln, während sie mir das Messer in den Rücken rammen?

Ich verrenne mich in Schuldzuweisungen. Immer öfter verfalle ich in solch wirren Gedankenspiralen, in stumpfsinniges Grübeln, manchmal glaube ich sogar, allmählich den Verstand zu verlieren.

Doch noch habe ich mich nicht aufgegeben.

Im Gegensatz zu den meisten Insassen dieses Zuchthauses bin ich des Lesens und Schreibens mächtig, und so verfolge ich über die ausgelesenen Zeitungen der Gefängnisleitung, mit denen mich die Wärter gönnerhaft versorgen, Rasputins Werdegang. Den letzten Schlagzeilen zufolge soll der Zar auf seinen Rat hin fast die gesamte Riege der Kirchenoberhäupter neu besetzt haben. Rasputin befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Ich reiße das Papier in Fetzen und brülle meine Wut hinaus.

Da dreht sich ein schwerer Schlüssel im Schloss, und die Zellentür schwingt quietschend auf. Jemand leuchtet mir ins Gesicht.

'Los, raus da, aber schnell!'

Ich reiße geblendet die Hand vor die Augen. Wozu diese Aufregung? Sonst kümmert sich doch auch niemand darum, was ich in meiner Zelle mache.

Im flackernden Schein einer Petroleumlampe erkenne ich die grobschlächtige Visage des Gefängnisaufsehers, in der breite Schatten hin und her tanzen. Er spuckt einen braunen Strahl Kautabak aus. 'Los, raus da', wiederholt er, 'bevor ich es mir anders überleg.'

'Was ist denn los?'

'Na, was wohl? Weihnachtsüberraschung.'

Weihnachten. Ich erinnere mich.

Das ist meine Chance.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.